Intersexuell

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Verfassungsgericht fordert Eintrag für drittes Geschlecht

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat ein drittes Geschlecht für den Eintrag im Geburtenregister gefordert. Intersexuellen Menschen, die weder männlich noch weiblich geboren sind, solle damit ermöglicht werden ihre geschlechtliche Identität eintragen zu lassen, entschieden die Karlsruher Richter in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss.

Im Ausgangsfall hatte ein intersexueller Mensch den Antrag auf Änderung seines Geschlechts auf „inter“ oder „divers“ im Geburtenregister gestellt. Er war als Mädchen eingetragen worden. Laut einer vorgelegten Chromosomenanalyse ist er aber weder Frau noch Mann. Der Mensch trägt nur ein X-Chromosom, ein zweites Chromosom, das ihn als weiblich (X-Chromosom) oder als männlich (Y-Chromosom) ausweisen würde, fehlt.

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Die Klage scheiterte zuvor in sämtlichen Instanzen, zuletzt vor dem Bundesgerichtshof. Zu Unrecht, wie die Verfassungshüter nun entschieden: Die geschlechtliche Identität sei ein „konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit“ und somit von dem im Grundgesetz verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt. Zudem nehme die geschlechtliche Identität für alle Menschen eine „Schlüsselposition“ in der Selbst- und Fremdwahrnehmung ein. Deshalb sei auch die geschlechtliche Identität jener Menschen geschützt, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen seien.

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So viele Menschen sind in Deutschland betroffen

Dem Beschluss zufolge könnten in Deutschland bis zu 160.000 intersexuelle Menschen leben. Der Deutsche Ethikrat plädierte bereits 2012 dafür, dass bei Menschen, deren Geschlecht nicht eindeutig feststellbar ist, neben der Eintragung als weiblich oder männlich auch „anderes“ gewählt werden können solle. Das Bundesverfassungsgericht setzte eine Frist bis Ende 2018 für eine verfassungsgemäße Neuregelung.

Wie viele Menschen sind intergeschlechtlich?

Laut dem „Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich“ sind „bis zu 1,7% der Bevölkerung auf die eine oder andere Weise intergeschlechtlich (Quelle: Sexing the body, Dr. Anne Fausto-Sterling, 2000). Bei etwa 1 von 2000 Kindern wird die Intergeschlechtlichkeit bereits bei der Geburt festgestellt, andere erfahren davon erst später im Leben – oder auch gar nicht.“

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Was heißt Intergeschlechtlich?

"Die Gesellschaft – und somit auch die Medizin – hat sehr enge Vorstellungen davon, was ein „Mann“ und was eine „Frau“ ist..

Ein „Mann“ hat XY-Chromosomen, Testosteron und Spermien produzierende Hoden in einem Hodensack unterhalb seines Penis, der bei der Geburt größer als 2,5 Zentimeter ist und in dessen Eichel die Harnröhre mündet. Sein Körper reagiert auf das Testosteron in der Pubertät mit Haarwuchs, Stimmbruch und Muskelwachstum.

Eine „Frau“ hat XX-Chromosomen, weibliche Hormone und Eizellen produzierende Eierstöcke, eine in eine Gebärmutter mündende Scheide unter ihrer bei der Geburt weniger als 0,7 cm großen Klitoris und der darunterliegenden Harnröhre. Ihr Körper reagiert auf die weiblichen Hormone mit der Produktion von Eizellen und Brustwachstum.

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Manche Menschen werden allerdings mit intergeschlechtlichen Genitalien geboren oder besitzen Geschlechtsmerkmale (chromosomal, anatomisch und/oder hormonell), die nicht den „klassischen Idealen“ eines rein männlichen oder weiblichen Körpers entsprechen – sie sind Inter*", kann man als Erklärung auf deren Homepage nachlesen. „In manchen Fällen wird Intergeschlechtlichkeit gleich nach der Geburt des Kindes festgestellt, da die äußeren Genitalien nicht klar männlich oder weiblich zugeordnet werden können.“

Wie sieht die Lage in Österreich aus?

Das Landesverwaltungsgericht (LVG) OÖ hat vergangenes Jahr den Antrag eines intersexuellen Klägers auf den Eintrag eines dritten Geschlechts im Personenstandsregister abgelehnt. Die österreichische Gesamtrechtsordnung gehe davon aus, dass jeder Mensch entweder weiblich oder männlich ist. Weil es aber um eine grundlegende Rechtsfrage ohne höchstgerichtliche Rechtsprechung geht, kann der Kläger in Revision gehen.

Österreich Karte
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Alex Jürgen (40) ist nach medizinischen Normvorstellungen weder männlich noch weiblich. Das Geburtenregister weist „ihn“ als Mann aus, laut anderen Schriftstücken handelt es sich um eine Frau. Seit zehn Jahren lebt „Herm Alex“ - so die bevorzugte Eigenbezeichnung - offen als intergeschlechtliche Person und wollte nun im Personenstandsregister als Geschlechtsbezeichnung „inter“, „anders“, „X“, „unbestimmt“ oder ähnliches eintragen lassen. Das Gesetz sehe eine verpflichtende Geschlechtsangabe vor, beschränke sich aber nicht auf männlich oder weiblich, argumentierte Alex Jürgens Anwalt Helmut Graupner. Der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft entgegnete, dass das Computerprogramm zur Beurkundung nur männlich oder weiblich akzeptiere. Sonst könne man den Vorgang nicht abschließen.

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In welchen Ländern gibt es mehr als zwei Geschlechter im Reisepass?

In vielen Ländern der Welt gibt es bereits die Möglichkeit, eine dritte Option im Reisepass eintragen zu lassen, dort ist dann ein „X“ vorgesehen.

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In Argentinien, Australien, Bangladesch, Pakistan, Dänemark, Indien, Kolumbien, Nepal, Neuseeland und Malta ist das möglich.

(apa/ Anastasia Lopez)