Nova Rock

HERBERT P. OCZERET / APA / picturedesk.com

Tag 2 am Nova Rock: Impressionen der Ausnahme

220.000 Besucher sind es heuer. Das Nova Rock ist mittlerweile so groß, dass man es ohne inflationären Gebrauch des Superlativs nicht in Worte fassen kann. Dieses spezielle Festivalgefühl kann man aber schon ganz gut beschreiben. Impressionen vom Leben im Ausnahmezustand.

Der Schleichweg biegt irgendwo hinter dem Schloss Halbturn in die Pampa ab. Eine vermeintliche Road to Nowhere. Durch endlose Getreidefelder, im bedrohlichen Schatten der gigantischen Windräder. Drei Hasen, zwei Füchse und ein Reh ergeben pro Strecke sechs Vollbremsungen im Schnitt. Die Schotterstraße ist so staubig, dass man den Scheibenwischer aktivieren muss. Einmal bin ich nach dem Nova mit dem Dienstauto direkt zurück zu Ö3 gefahren, ohne Umweg über die Waschstraße. Wenn ich dann ins Fahrtenbuch Paris – Dakar eingetragen hätte, hätten sie mir das sofort abgekauft.

Nova Rock Besucher

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Knapp vor der ungarischen Grenze dann endlich wieder erste Anzeichen von Zivilisation – allerdings in Uniform. Soldaten des Bundesheeres auf Grenzschutzpatrouille. Aus den Niederungen der heimischen Flüchtlingspolitik geht’s dann diesen einen kleinen Hügel hinauf. Und plötzlich ist man da. Wieder Vollbremsung. Weil man nicht glauben kann, was man sieht: Eine Kleinstadt, herausgestampft aus dem Acker namens Pannonia Fields. In der Tat. They built this City on Rock and Roll.

Sobald man dann eingetaucht ist in diesen Festival-Irrsinn, switchen Körper und Geist sofort in den Abwehrmodus. Zu viel, zu groß, zu hektisch, zu laut. Die erste Stunde am Nova Rock verbringe ich daher stets verlässlich in Schockstarre. Was sich gut trifft, weil ungefähr so lange dauert es, bis man seine Akkreditierung bekommt.

Besucher am Nova Rock Festival

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Melanie Lorenz aus Marchtrenk, die heuer den Ö3-Schrebergarten gewonnen hat, einen idyllischen Rückzugsort inmitten der anarchischen Zeltstadt, war noch nie bei einem Rockkonzert, geschweige denn bei einem Festival. Und dann gleich aufs Nova Rock! Das ist ungefähr so, als ob jemand, der noch nie im Ausland war, seinen ersten Urlaub in Afghanistan verbringt. „Klar, haben mich meine Freunde mental darauf vorbereitet“, sagt sie am zweiten Tag noch immer sichtlich irritiert, „aber diese Dimensionen hier sind einfach unvorstellbar – das muss man einmal mit eigenen Augen gesehen haben, um es zu kapieren.“

Ein Rundgang durchs Campingareal kann Stunden dauern. Erstens, weil es so viel zu schauen gibt. Und zweitens, weil man ständig eingeladen wird. Nirgendwo anders in Österreich ist es so leicht, neue Bekanntschaften zu schließen. Man mag und respektiert einander. Auf die Frage, warum die Leute das Festival so lieben, hört man am öftesten diese Antwort: Weil ich hier so sein kann wie ich bin.

So tolerante Nachbarn wie am Nova Rock würden sich viele auch Zuhause im Alltag wünschen. In dem einen Zelt singen Menschen, die aufgrund ihres Aussehens in kein Konzert von Andreas Gabalier rein kommen würden, gerade „Hulapalu“ mit einer unglaublichen Textsicherheit. Und weil sie kurz darauf den größten Hit von „Königin Helene“ noch lauter intonieren, hört man kaum, wie im Nebenzelt Wiener und Vorarlberger Rockfans, die sich gerade kennengelernt haben, komplett aneinander vorbei reden. Man versteht sich blendend, obwohl man einander nicht versteht.

Nova Rock Crowd Surfer

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Wieder ein Zelt weiter löffeln sie selbstgemachtes Biereis, das man unbedingt kosten muss. Im nächsten Zelt spielen sie Mensch-ärgere-dich-nicht, im übernächsten diskutieren ein paar Philosophen im Stringtanga über die Wechselwirkung von Freiheit und Nacktheit, daneben tobt eine Battle mit Spritzpistolen, und so geht das endlos weiter. Wenn man Glück hat, schafft man es irgendwann tatsächlich auch zu einer der Bühnen.

Und dann gibt’s natürlich auch noch unzählige Belustigungen, die sich große Firmen einfallen lassen haben, um an die begehrte junge Zielgruppe heran zu kommen. Wer hatte heuer die beste Marketingidee? – Da Hofer war’s. Die Grill & Chill Area ist der Renner am Campinggelände. Ein riesiges Zelt umfunktioniert zum Supermarkt, in dem man feinste Grillwaren kaufen kann, die man dann nebenan in einer Picknick-Area, in der eine Batterie an Grillern vor sich hin glüht, selber zubereiten kann. Schmeck’s, Mobilfunkbranche.

Finally the day has come! #NR17 ❤️( 📷 by @db_photoat )

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Sehr präsent ist auch die Polizei. Auf den Zufahrtsstraßen und bei den Eingangsschleusen sowieso. Heuer aber erstmals auch im Backstagebereich. Wenn die Bands von der Garderobe zur Bühne schreiten, stehen zwanzig Polizisten Spalier. Wird spannend zu beobachten, wenn sich heute Abend die Prophets of Rage auf den Weg zu ihrem Auftritt machen, - immerhin singt da B-Real von Cypress Hill mit. Wenn der einmal aushaucht, sind im Nu alle Polizisten bummzu.

Man könnte endlos schreiben, über all die Eindrücke, die hier am Nova Rock ständig auf einen einprasseln. Man könnte natürlich auch über die Musik schreiben, die auf einem Rockfestival ja auch nicht ganz unwichtig ist. Aber es sind nun mal die Fans, die diese vier Tage hier so unvergesslich machen. Daher zum Abschluss stellvertretend für alle Freaks, für alle Unangepassten, für alle, die in keine Norm passen, liebe Grüße von einem jungen Rockfan aus Seewalchen: „Es seid’s alles Trotteln, weil ihr nicht hier seid.“

Heute wird Benny Hörtnagl für Ö3 vor Ort sein:

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Prognose: So wird das Wetter am Nova Rock

Das war Tag 1

„Ö3-Wecker“ mit Robert Kratky, 16. Juni 2017

(Clemens Stadlbauer)