Sauerteigbrot in der Entstehung

Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Do it yourself@HOME: Sauerteigbrot

Heute ist der „Tag des Brotes“! Du wolltest immer schon mal dein eigenes Brot backen? Jetzt haben wir Zeit dazu! Du brauchst kein teures Equipment, keine aufwändigen Zutaten. Im „Sauerteig-Blog“ zeigt dir Ö3-Redakteur Klaus, wie du deinen eigenen, lebenden Sauerteig erschaffen kannst.

Darf ich vorstellen: Das ist Bernd!
Bernd lebt seit mehr als einem Jahr bei uns im Kühlschrank. Er kommt ungefähr einmal wöchentlich zum Einsatz, dann backen wir Roggensauerteigbrot mit ihm. Dazwischen schlummert er bei kühlen Temperaturen im hinteren Winkel des Kühlschranks. Wenn wir auf Urlaub sind, harrt er da schon mal 2-3 Wochen ohne Nahrung aus.

Sauerteigbrot in der Entstehung
Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Was ist Sauerteig?

Sauerteig ist eine Mehl-Wasser-Mischung, in der Hefepilze, Milch- und Essigsäurebakterien leben. In dieser Lebensgemeinschaft sorgen die Milch- und Essigsäurebakterien dafür, dass ein saures Milieu entsteht, in dem unerwünschte Bakterien sterben. Die Hefen fühlen sich darin aber pudelwohl. Ihr Produkt ist CO2, das beim Backen für eine lockere Krume sorgt, sprich für die Löcher im Teig.
Die Nahrung ist dabei das Mehl. Bei warmen Temperaturen „fressen“ sie schneller, bei kühleren langsamer.

Was brauche ich?

Die Liste ist kurz: Zwei Marmeladengläser, eine Küchenwaage, einen Löffel (oder Silikonspatel), Roggenmehl, Wasser, ein Blatt Küchenpapier, einen Gummiring und Zeit.

Sauerteigbrot in der Entstehung
Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Zum Leben erwecken

Überall in unserer Umgebung fliegen Hefesporen. Diese wollen wir einfangen und vermehren. Sie dienen in unserem Brot als klassisches Backtriebmittel. Auf Industriehefe können wir daher dann gänzlich verzichten.

Tag 1: Jagd auf „Umgebungshefesporen“

Tipp: Immer zuerst das Wasser ins Glas geben, danach das Mehl dazu. So entstehen keine Mehlklumpen am Glasboden.

In das Marmeladenglas 50g lauwarmes Leitungswasser füllen, 50g Mehl zugeben. Verrühren und den Rand schön sauber schaben. 24 Stunden offen in der Küche stehen lassen.

Sauerteigbrot in der Entstehung
Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Tag 2: Bleibet hier und vermehret euch!

Die Jagd ist beendet. Es sollten jetzt genug Hefesporen auf unserer Mehl-Wasser-Mischung gelandet sein. Künftig bekommt unser Glas einen Deckel aus Küchenpapier, gehalten von einem Gummiring. Aber bevor wir die Kopfbedeckung aufsetzen, wollen wir den Neuankömmlingen ein Festmahl bereiten.

Am Anfang füttern wir 1:1:1.
Dazu das frische Marmeladenglas mit 25g Wasser befüllen. Darin 25g vom „alten“ Sauerteig, den wir in den letzten 24 Stunden erschaffen haben, auflösen. (Er hat an der Oberfläche eine trockene Schicht bekommen. Die schiebe ich mit einem Löffel auf die Seite und nehme einen Esslöffel voll vom weichen Teig darunter.) 25g Mehl dazugeben. Verrühren bis es keine Mehlklumpen mehr gibt, Ränder sauber schaben, zudecken. Für 24 Stunden in der Küche stehen lassen.

Tag 2 Sauerteig füttern
Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Tag 3: It’s alive!

Oh Wunder! Über Nacht hat der Sauerteig eine vollkommen neue Struktur bekommen. Er ist gewachsen. Durch das Glas kann man im Teig kleine Bläschen sehen. Das ist gut so! Zum Brotbacken ist das allerdings noch viel zu wenig. Wir wiederholen also die Raubtierfütterung 1:1:1 – jeweils 25g Sauerteig, warmes Wasser und Mehl (in einem frischen Glas).
Um in Zukunft zu sehen, wie viel er wächst, markiere ich die Höhe nach dem Füttern mit einem weiteren Gummiring.

Sauerteig füttern Tag 3
Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Man munkelt, Germ wäre schwer erhältlich. Bei einem aktiven Sauerteig können wir gänzlich auf die Zugabe von Hefe verzichten.

Tag 4: Hilfe, mein Sauerteig riecht nach Käsezehen

Von außen sieht der Teig ganz normal aus, abgesehen davon, dass er gestern viel aktiver war. Aber der Geruch hat sich von leicht säuerlich zu … naja,… „Quargel“ gewandelt. Aber kein Grund zur Sorge. Alles ist gut! In der Wasser-Mehl-Mischung kämpfen erwünschte und unerwünschte Milch- und Essigsäurebakterien um die Vorherrschaft. Geduld, denn die Guten gewinnen immer! Ich gehe davon aus, dass die meisten von uns am Tag 7 backen können.
Ich füttere also weiter 1:1:1. Den Rest gebe ich weg.

Sauerteig Füttern Tag 4
Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Tag 5: Wie der Phönix aus der Asche

Jetzt sind wir wieder Freunde! Der Käsegeruch ist verflogen und es riecht wieder säuerlich. Aber sehr angenehm. Mild, nicht beißend. Seit gestern hat er sich brav verdoppelt. Jetzt wollen wir die ganze Aufmerksamkeit auf die Aktivität richten. Aktiver Sauerteig heißt: Viele Luftbläschen im Teig, wenn wir dann backen.
Zuerst erhöhen wir aber die Dosis: 1:5:5, das bedeutet 1 Teil „alter Sauerteig“, je 5 Teile Mehl und Wasser. Wie die letzten Tage nehmen wir je 25g Wasser und Mehl und geben aber nur noch 5g Sauerteig dazu (das ist ein gestrichener Teelöffel).

Sauerteig Füttern Tag 5
Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Tag 6: Der Tag vor dem Backtag

Ich bin zufrieden! Die Aktivität meines neuen Sauerteiges scheint in Ordnung zu sein. Um ihn noch einmal zu stärken, verdoppeln wir erneut die Dosis. Heute gibt es zu Mittag 1:10:10 (5g Sauerteig in 50g Wasser gelöst und dann 50g Mehl klumpenfrei eingerührt).
Gummiring als Markierung drauf! Heute gilt es: Er sollte sich in den nächsten 6 Stunden mindestens verdoppeln.

Sauerteig füttern Tag 6
Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Meiner hat sich verdoppelt. Sollte das bei dir noch nicht der Fall sein, noch ein bis zwei Tage weiterfüttern.

Der Schwimmtest

Um ganz sicher zu gehen, ab der Sauerteig schon backfähig ist, macht man den Schwimmtest. Einen Löffel Teig in eine Schüssel mit Wasser geben. Schwimmt der Teig, ist alles gut. Sinkt er zu Boden, bitte einfach noch ein bis zwei Tage weiterfüttern.

Sauerteig Schwimmtest
Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Der Vorteig

Mein Teig hat den Fahrtenschwimmer! Ich kann den Vorteig ansetzen. Ich habe den Schwimmtest gleich in meiner Rührschüssel mit 270g Wasser (sehr warm) und einem Esslöffel voll Sauerteig (ca. 20g) gemacht. Ich lösen den schwimmenden Teig im Wasser auf und gebe dann 225g Roggenmehl dazu. So lange rühren, bis keine Mehlklumpen mehr zu erkennen sind. Ränder sauber schaben. Er wird dann mit einem Geschirrtuch zugedeckt und darf über Nacht an einem warmen Ort rasten. Wobei „rasten“ hier der falsche Ausdruck ist, denn unser Sauerteig hat gerade enorm viel Nahrung bekommen, sodass er in den nächsten 10-15 Stunden kräftig arbeitet und in die Höhe wächst. Er wird die Konsistenz vom Schokomousse bekommen.
Schlaf gut - wir sehen uns morgen früh!

Sauerteig Tag 6, Vorteig, am Tag vor dem Backtag
Hitradio Ö3/ Klaus Gesselbauer

Tag 7: Der Backtag

Do it yourself@HOME: Sauerteigbrot - der Backtag

Willkommen in der Familie!

Am Abend brauche ich aus dem Glas ja nur 20g zum Backen. Im Bäckerlatein nennt man das „Anstellgut“. Vom Rest füttere ich in einem frischen Glas 1:10:10, lasse den Teig im Glas in der Küche noch eine Stunde „anspringen"bevor das Glas dann mit einem Deckel in den Kühlschank wandert. Das ist mein Sauerteig für künftige Brote.
Und nachdem er jetzt ein weiteres Familienmitglied ist, bekommt er auch einen Namen! Die Kinder meinten „Bernd jr.“ wäre passend.

Tipp: Ganz wichtig - immer die Ränder des Glases sauber halten! Schimmel ist der Tod des Sauerteiges!

Es reicht vollkommen aus, ihn alle 10-14 Tage zu füttern. Im Kühlschrank braucht er nur wenig Nahrung und frisst langsam. Je länger der Zeitraum, desto schwächer wird er (weil ihm die Nahrung ausgeht). Dann unbedingt vor dem Backen ein bis zwei Mal auffrischen, sprich aus dem Kühlschrank nehmen und füttern. Sollte sich einmal eine Flüssigkeit am Teig gebildet haben, die alkoholisch riecht, kein Problem: Einfach umrühren und ein paar Tage füttern, bis der Sauerteig wieder aktiv ist.

Reste verwerten?

Ich habe sehr oft die Frage gelesen, was mit dem Rest im Glas geschieht. Der hat leider vorerst keine Verwendung. Daher arbeite ich beim Füttern mit sehr kleinen Mengen, damit nicht so viel anfällt. Wenn der Sauerteig später aktiv und backfertig ist, gibt es mehrere Verwendungsmöglichkeiten für die Reste. Aber so weit sind wir noch nicht.

Zutatenliste

Auf Wunsch gibt es schon vorab eine Zutatenliste, damit man dafür am Backtag nicht extra Einkaufen gehen muss.
Zum Füttern braucht man vorerst nur Roggenmehl und Wasser.
Am Backtag: Roggenmehl, Wasser, Salz, etwas Honig und etwas Öl.
Wer mag, kann natürlich auch Gewürze in den Brotteig geben. Ich liebe Koriandersamen, Kümmel und Anis. (Rezept mit freundlicher Erlaubnis von brotokoll.com)

Geschichte

Seit tausenden von Jahren verwendet der Mensch Sauerteig, um Getreidefladen und Brot zu backen. Es gibt Aufzeichnungen des römischen Gelehrten Plinius um 79 nach Christus, wo er die Herstellung von Sauerteig mit Weizenkleie und Traubenmost beschreibt. Unter Hobbybäckern wird Sauerteig heutzutage gerne getauscht. Es gibt auch den berühmten "Hermann“-Teig zum Tauschen, der seit den Siebzigern immer wieder mal auftaucht.
Tauschen wollen wir gerade vermeiden, darum die Anleitung zum Selberziehen.

Klaus Gesselbauer
Claudia Blake

Über den Autor

Klaus Gesselbauer ist Redakteur in der Ö3-Verkehrsredaktion und in der Onlineredaktion.
Er ist begeisterter Hobbykoch und -bäcker, Kaffeeröster und beschäftigt sich in seiner Freizeit außerdem mit Wursten, Niedertemperaturgrillen, Räuchern und Fermentieren.

(KG)