Schulgang

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Schule kennzeichnet Nicht-Infizierte mit grünem Punkt

Ein Gymnasium im deutschen Mecklenburg-Vorpommern bietet den Schülern freiwillige Corona-Tests an. Wer nicht infiziert ist, bekommt einen grünen Punkt auf ein Namensschild. Damit sind aber nicht alle einverstanden.

Damit es schneller zurück Richtung Normalität im Schulbetrieb geht, traf das Gymnasium Carolinum in Neustrelitz Maßnahmen, die genauer unter Lupe betrachtet, viele Fragen aufwerfen.

Für die Schüler ist es möglich, sich zweimal in der Woche einem Corona-Test zu unterziehen. Das alles geschieht auf freiwilliger Basis. Die Schule testet in Kooperation mit dem Rostocker Biotech-Unternehmen Centogene, das für die Kosten aufkommt. Wer nicht infiziert ist, den kennzeichnet ein grüner Punkt – und dann gelten für ihn andere Regeln als für Schüler, die sich nicht testen lassen.

Schule kooperiert mit Unternehmen

„Das angewandte Verfahren weist das RNA-Erbgut von Sars-CoV-2 Viren in Rachenschleimhaut Abstrichen nach und beruht auf dem publizierten Verfahren von Prof. Drosten“, erklärt der Schulleiter Henry Tesch in einem Infobrief.

Die Schüler müssen sich dafür bei der Diagnostik-Firma aus Rostock registrieren, den Abstrich aus dem Rachen entnehmen sie an der vor der Schule eingerichteten Teststation selbst. Wer ein negatives Testergebnis erhält, also nachweislich nicht infiziert ist, und das jeden Montag und Freitag aufs Neue, erhält einen grünen Punkt auf sein Namensschild und Sondergenehmigungen, wie Schulleiter Tesch der „FAZ“ sagte. Nicht-Infizierte dürfen sich demnach frei auf dem Schulgelände bewegen sowie eine „Fast Lane“ nutzen, um in ihr Klassenzimmer zu gelangen.

„Wir hoffen sehr, dass durch diese Maßnahme der erste Schritt in Richtung Normalität gemacht werden kann und wir damit auch der Politik einen Schritt voraus sind“, erklärt die Gymnasialleitung.

Psychologe ist gegen Kennzeichnung der Schüler

Der Berliner Psychologe Thilo Hartmann kritisiert das Vorgehen.
Inwiefern die Kennzeichnung von Schülern tatsächlich als fortschrittlich erachtet werden darf, erscheint ob der Erfahrung aus der Geschichte allerdings fraglich, mahnt er. Zwar begrüße er den kreativen Umgang der Schule mit der aktuellen Situation und die Suche nach individuellen Lösungen.

„Ich sehe aber die Eingruppierung von Menschen kritisch. Mit den Punkten werden zwei für alle sichtbar nicht gleichberechtigte Gruppen von Schülern aufgemacht. Eine ist der anderen durch die Sonderregeln klar überstellt. Das kann das Selbstwertgefühl der Schüler ohne grünen Punkt in Frage stellen und Rivalität zwischen den Gruppen provozieren. Auch kann es dazu führen, dass ich mich Regeln unkritisch unterwerfe, nur um zu der Gruppe zu gehören, die mir attraktiver erscheint.“

Keine Spur von Freiwilligkeit

Von Freiwilligkeit der Corona-Tests sei darüber hinaus nur eingeschränkt zu sprechen, führt der Psychologe aus. „Die Bewegungsfreiheit in der Schule kommt einer Vergünstigung für die eine Gruppe gleich. Für die anderen bedeutet sie automatisch eine Bestrafung, weil sie sich eben nicht frei bewegen dürfen. Ich kann also nicht nicht mitmachen, ohne dafür sanktioniert zu werden. Das hat mit Freiwilligkeit aus meiner Sicht nicht mehr viel zu tun.“

Schulleiter Henry Tesch bekräftigt in einem Interview, es gehe vor allem darum die logistischen Herausforderungen zu stemmen. Wenn sich 350 Schüler mit Mindestabstand vor dem Schulgebäude anstellen, entstehe eine unglaublich lange Menschenschlange. Er hofft, dass sich viele Schüler regelmäßig testen lassen, denn so könne vielleicht bald wieder in größeren Klassen unterrichtet werden.

(focus/KO)