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Bienen tanzen mehr Infos als gedacht

Vor 50 Jahren erhielt der österreichische Verhaltensforscher Karl von Frisch für die Entschlüsselung des Schwänzeltanzes der Honigbiene den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Mit dem Tanz teilen Bienen Artgenossen die Lage einer Futterquelle mit. Forscher um den deutschen Zoologen Randolf Menzel zeigen nun im Fachblatt „Pnas“, dass der Informationsgehalt des Schwänzeltanzes völlig neu bewertet werden muss und Bienen über ein kartenartiges Landschaftsgedächtnis verfügen.

Karl von Frisch (1886-1982) wurde gemeinsam mit Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen für „ihre Entdeckungen zur Organisation und Auslösung von individuellen und sozialen Verhaltensmustern“ mit dem Nobelpreis gewürdigt. Von Frisch hatte in jahrelanger Arbeit die Sinneswahrnehmungen und die „Sprache“ der Bienen entschlüsselt und herausgefunden, wie sie mit ihren Rund- und Schwänzeltänzen Entfernungs- und Richtungshinweise für Futterquellen geben.

Dazu übermitteln sie Informationen über Entfernung und Richtung zur Nahrungsquelle in einem rhythmischen, schwänzelnden Tanz. Die Entfernung messen die Bienen im Flug mit den Augen u.a. über die Zahl der Objekte, etwa Bäumen und andere auffällige lokale Strukturen, an denen sie vorbeifliegen. Im Tanz bedeutet dann jeder Schwänzel 80 Meter. Die Richtung messen die Bienen mit ihrem sogenannten Sonnenkompass. Die Botschaft der tanzenden Biene ist also ein „Flugvektor“, wie es die Wissenschafter nennen, der Entfernung und Richtung angibt. Demnach handelt es sich nach bisheriger Ansicht um eine relativ einfache Fluganweisung: „Fliege so weit in diese Richtung.“

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„Unsere Ergebnisse erfordern eine umfassendere Interpretation dessen, was der Tanz einer zurückkehrenden Futtersammlerin ihren Artgenossen mitteilt“, schreiben die Wissenschafter in ihrer Arbeit. Die Rechen- und Darstellungsleistung eines Insektengehirns sei vielseitiger und ermögliche ihnen „von beliebigen Orten innerhalb ihres vertrauten Territoriums Kurs in Richtung der Nahrungsquelle zu setzen“.

Das Forschungsteam rund um den Zoologen und Neurobiologen Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin hat in seiner Studie die Navigations- und Kommunikationsmuster eines Bienenstocks mit fast 2.000 Honigbienen in Deutschland untersucht. Nachdem Bienen einer Sammlerin beim Schwänzeltanz zugeschaut hatten, fingen sie die Forscher beim Verlassen des Bienenstocks ein und statteten sie mit einem Transponder aus, um ihren Flug mit einem speziellen Radargerät verfolgen zu können. Dann ließen sie die Bienen an einem weit vom Stock entfernten Orten wieder frei und ihr Standort wurde alle drei Sekunden ausgelesen.

Die Bienen flogen zunächst in die im Schwänzeltanz angezeigte Himmelsrichtung - als ob sie den Bienenstock verlassen würden. Doch der anschließende Such-Teil ihres Fluges wurden stark und in unterschiedlicher Weise durch den Freilassungsort beeinflusst und erfolgte in Richtung des tatsächlichen Standorts der Nahrung.

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Daraus schließen Menzel und Kollegen, dass „Bienen in der Lage sind, die metrischen Bezüge zwischen Landmarken so einzuspeichern und für die Botschaft des Schwänzeltanzes so auszulesen, dass sie von jedem beliebigen Ort zu der im Tanz angegebenen Stelle fliegen können“. Dieses komplexe und reichhaltige Landschaftsgedächtnis würden die Insekten während ihrer exploratorischen Flüge als junge Biene erlernen.

Offensichtlich ist die per Tanzkommunikation übermittelte Information umfangreicher als bisher angenommen und die Bienen erhalten durch den Schwänzeltanz zwei Botschaften: eine Fluganweisung mit Richtung und Entfernung vom Bienenstock und zusätzlich „einen Ortsvektor, der es ihnen ermöglicht, sich der Quelle von einem beliebigen Ort in ihrem vertrauten Gebiet zu nähern“, so die Forscher.

(APA)