Florian Krammer

Mount Sinai Health System

Virologe Florian Krammer zum Corona-Impfstoff

Er ist Steirer und längst in die Wissenschafts-Elite aufgestiegen: Florian Krammer arbeitet seit zehn Jahren in einem der weltweit wichtigsten Forschungszentren für Virologie, am Mount Sinai Hospital in New York.

In „Frühstück bei mir“ zeigte sich der Virologe heute kritisch zur Lockerung der Maßnahmen in Österreich, wie das Aufsperren des Handels - trotz über 3.000 Neuinfektionen am Tag.

Krammer auf Ö3 im Gespräch mit Claudia Stöckl: „Aus virologischer Sicht ist das nicht besonders klug. Wenn man noch so viele Virusinfektionen hat, kann es sehr leicht dazu kommen, dass es gleich wieder zu einer explosionsartigen Ausbreitung des Virus kommt. Es wäre besser gewesen, wenn man noch in dem Lockdown geblieben wäre, bis die Zahlen wirklich hinuntergehen. Sie sollten unter 500 gehen, besser noch 200, bis man sagt, die Restriktionen können gelockert werden."

Florian Krammer im Videointerview mit Claudia Stöckl

Hitradio Ö3

Der Impfstoffforscher nahm auch zur ersten Notfallzulassung eines Covid-19-Impfstoffes, dem mRNA-Impfstoff der Firmen Biontech und Pfizer, Mitte der Woche in Großbritannien Stellung: „ Von wissenschaftlicher Seite ist es sehr erfreulich. Es ist noch nie ein Impfstoff in dieser Geschwindigkeit entwickelt und zugelassen worden. Die klinische Entwicklung ist mit dergleichen Sorgfalt durchgeführt worden und ich habe wenig Bedenken, was die Sicherheit betrifft, weil diese Impfstoffe bereits an 40.000 Menschen getestet wurden und man schon vorher Daten von diesen mRNA-Impfstoffen hatte. Aber natürlich muss weiterhin Sicherheits-Monitoring betrieben werden.“

Florian Krammers Ausblick in New York

Privat

Die häufig geäußerten Bedenken, dass die genbasierten Impf-Verfahren mittels mRNA-Impfstoff das Erbmaterial verändern, sieht Florian Krammer nicht: „Das Genmaterial wird nicht beeinflusst oder verändert. Die Gefahr, dass die Messenger-RNA, die man einbringt, plötzlich im Zellkern auftaucht und sich in die Erbsubstanz integriert, ist aus wissenschaftlicher Sicht verschwindend gering, und wenn ich das einem Laien erklären würde, würde ich sagen, das kann nicht passieren.“

Florian Krammer

Sebastian Krammer

Als sehr wahrscheinliche Nebenwirkung betont der Impfstoffforscher die Reaktogenität der ersten Impfstoffkandidaten, die kurz vor der europaweiten Zulassung stehen - die zwei mRNA-Impfstoffe der Firmen Biontech/Pfizer und Moderna und dem Vekror-Impfstoff von AstraZeneca: „Reaktogenität ist eine schnelle Überreaktion des Körpers auf den Impfstoff, ein Zeichen, dass das Immunsystem stark reagiert. Das äußert sich in Schmerzen an der Einstichstelle, es kann sein, dass man sich müde fühlt für ein oder zwei Tage, in manchen Fällen tritt Kopfweh auf oder auch erhöhte Temperatur. Und das ist was, das wir vermehrt sehen bei diesen neuen Impfstoffen. Das muss man den Leuten mitteilen: Es sind kurzfristige Nebenwirkungen, die nicht gefährlich sind, aber sehr unangenehm. Wenn man das nicht ausreichend kommuniziert, wird man viele Rückmeldungen von Geimpften bekommen, die sagen, „naja, jetzt habe ich die Impfung bekommen und dann bin krank geworden".“ Wegen dieser starken Reaktogenität, so Krammer auf Ö3, „ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass diese Covid-19-Impfstoffe für Kinder zugelassen werden. Das ist natürlich ein relativ hoher Teil der Bevölkerung, den man dann nicht impfen kann.“

Florian Krammers Mitarbeiterin aus Österreich

Privat

Krammer ist dank seiner Kollegin Shirin Strohmeier nicht der einzige Österreicher im New Yorker Forschungsteam.

Die Wirkung einer Covid-19-Impfung beginne sechs Wochen nach der ersten von zwei erforderlichen Injektionen, so Krammer. Am heutigen Stand der Forschung sei eine Auffrischung „wahrscheinlich nach ein paar Jahren notwendig“. Über die Wirkung der ersten Covid19-Impfstoffe sagte der 37-jährige Virologe aus der Steiermark: „Der Impfstoff schützt vor Erkrankungen. Man spricht von einer 95-Prozent-Effizienz - das heißt, das Risiko zu erkranken wird durch die Impfung um 95 Prozent reduziert. Ob die Impfung vor Infektionen schützt, ist eine offene Frage. Das muss weiter untersucht werden. Ich kann mir vorstellen, dass Leute, die geimpft sind, sich auch noch infizieren können und weiter ansteckend sind.“ Eine Durchimpfungsrate von 75 Prozent wäre erstrebenswert, „damit sich schnell etwas ändert“, so Krammer. In jedem Fall meint er: „Ich glaube, dass das Leben im späten Frühjahr, Anfang Sommer wieder relativ normal sein wird. Da werden wir dann auch wieder auf die Masken verzichten können. Wir werden das Virus nicht eliminieren, das wird uns bleiben, aber wenn es wenig Fälle gibt, ist es kein Problem. Im privaten Bereich wird sich wesentlich rascher etwas verändern: Wenn in einer Familie die Hochrisikopatienten geimpft sind, kann man schnell wieder zu einem normalen Leben zurückgehen.“ Zur Impfpflicht sagte der Experte auf Ö3: „Ich halte davon gar nichts. Eine Impfpflicht ist kontraproduktiv. Wenn man Leute zwingt etwas zu tun, dann wird die Opposition stärker.“

Wichtigste Antworten zur Impfung zusammengefasst

Im Ö3-Wecker am Montag Früh wurden sämtliche Infos zur Impfung oder zu den Nebenwirkungen von dem Virologen Florian Krammer noch einmal kompakt zusammengefasst:

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„Frühstück bei mir“ mit Claudia Stöckl, 6. Dezember 2020