50/50: Stress lässt uns Frustessen oder Fasten

Salzburger Psychologen untersuchen in einem großangelegten Forschungsprojekt wie Gefühle bestimmen wie wir essen. Ein überraschendes Ergebnis des Projekts ist, dass die Zahl der Menschen, die bei Stress mehr isst, ungefähr gleich ist mit der Zahl der Menschen, die bei Stress weniger isst.

Dieses Studienresultat relativiert bisherige Erkenntnisse über das Frustessen. Auch die Idee der „Nervennahrung“ deckt offenbar nur einen kleinen Teil des komplexen Zusammenhangs zwischen Emotionen und Essverhalten ab.

Die Arbeitsgruppe um den Essstörungsforscher Jens Blechert vom Fachbereich Psychologie der Universität Salzburg hat das Studiendesign deutlich erweitert. „Wir wollen in einem neuen innovativen Ansatz die emotionalen Prozesse untersuchen, die unser Essverhalten beeinflussen“, sagt der Professor.

Gleich viel „Über- wie Unteresser“

Die Ergebnisse sind teilweise anders als erwartet, sagt Projektmitarbeiter Adrian Meule. „Unsere Ergebnisse zeigen konsistent, dass in etwa gleich viele Menschen berichten, bei Stress weniger zu essen, wie Menschen, die berichten, bei Stress mehr zu essen. Viele berichten natürlich auch, dass sich ihre gegessene Nahrungsmenge durch Stress nicht ändert. Gleiches gilt für das Essen bei Fröhlichkeit. Bei Traurigkeit tendiert die Mehrheit dazu, mehr zu essen. Dass die meisten bei Ärger und Ängstlichkeit weniger essen, könnte mit der körperlichen Erregung zusammenhängen, sie unterdrückt den Appetit.“

Essstörung

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Übergewichtige Menschen neigen zum Stress-Essen

Was aber führt dazu, dass manche Menschen bei Stress (und anderen negativen Emotionen) zum „emotionalen Überessen“ tendieren und andere zum „emotionalen Unteressen“? Auffallend ist für die Forscher, dass diejenigen, die angeben, in schlechter Stimmung mehr zu essen, meist bereits einen höheren Body Mass Index (BMI) haben. Genau umgekehrt ist es bei positiven Emotionen. In guter Stimmung lassen es sich vor allem die Schlanken gut und ausgiebig schmecken.

"Insgesamt zeigen die Ergebnisse, wie wichtig es ist, zwischen verschiedenen Emotionen zu unterscheiden, wenn man deren Einfluss auf das Essverhalten untersuchen möchte. Die generelle Idee der „Nervennahrung“, das sogenannte „comfort food", deckt jedenfalls nur einen geringen Bruchteil des komplexen Zusammenhangs zwischen Emotionen und Essverhalten ab. Stress schlägt sich sehr unterschiedlich auf den Magen,“ resümiert Meule.

Essstörung; Patientin beim Arzt

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10 Prozent in Österreich von Essstörungen betroffen

Die Anorexie (Magersucht) tritt besonders bei Mädchen und jungen Frauen auf. Magersüchtige fühlen sich trotz Untergewichts zu dick („Körperschemastörung“). Für Menschen mit Bulimie (Ess-Brech-Sucht) ist typisch, dass sie in regelrechten „Fressanfällen“ hastig große Mengen kalorienreicher Nahrung verschlingen und dann sofort wieder erbrechen, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Von periodischen Heißhungerattacken sind auch Menschen mit der Binge-Eating Störung betroffen (von binge = Gelage). Das Gegessene wird anschließend aber nicht erbrochen, sodass Übergewicht meist die Folge ist. Von Adipositas (Fettleibigkeit) spricht man ab einem BMI von 30. Der BMI wird berechnet, indem man das Gewicht durch das Quadrat der Größe (in Meter) teilt (kg/m2).

Forscher suchen Studien-TeilnehmerInnen

Ein Schritt in diese Richtung ist auch seine neue Studie über Frustessen, Gewichtsprobleme, und Essanfälle, für die die Forscher noch Teilnehmerinnen suchen. Die Studie will die neuronalen Grundlagen dieser Schwierigkeiten herausfinden, also wie das Gehirn in bestimmten Situationen auf Nahrungsmittel reagiert. Mitmachen können Frauen zwischen 16 und 50 Jahren mit einem BMI ab 25 kg/m2. Infos dazu gibt es hier.

Ö3-Drivetimeshow mit Olivia Peter, 9. März 2018 (APA/MB)