Vor 80 Jahren: Die Pogromnacht vom 9. November

Am Freitag jähren sich zum 80. Mal die Novemberpogrome von 1938 gegen die jüdische Bevölkerung. Heute oft immer noch mit dem verharmlosenden Nazi-Ausdruck „Reichskristallnacht“ bezeichnet, bedeuteten die Pogrome für viele Historiker den Beginn der Schoah, der gezielten Auslöschung der jüdischen Bevölkerung.

In Österreich wurden im Rahmen der Pogrome im November 1938 mindestens 30 Juden getötet, 7.800 verhaftet und aus Wien rund 4.000 sofort ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Im gesamten „Deutschen Reich“ wurden tausende Synagogen und Geschäfte niedergebrannt, nach offizieller damaliger Lesart 91 Personen getötet, tatsächlich starben aber während der Pogrome und in deren Folge weit mehr Menschen. Mehr als 20.000 Personen wurden verhaftet.

In Österreich wird rund um den 9. November mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen den Novemberpogromen gedacht.

Beitrag aus dem „Ö3-Wecker“:

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Blumen und Kerzen

JOERG CARSTENSEN / EPA / picturedesk.com

Der Begriff „Pogrom“ kommt aus dem Russischen und bedeutet „Verwüstung“ und „Unwetter“. Die NS-Propaganda versuchte, die Aktion im November 1938 als spontane Antwort der Bevölkerung auf den Tod des deutschen Diplomaten Ernst von Rath auszugeben. Dieser war am 7. November 1938 in Paris von einem 17-jährigen Juden namens Herschel Grynszpan niedergeschossen worden und starb später. Grynszpan hatte ursprünglich ein Attentat auf den deutschen Botschafter in Paris geplant, mit dem er gegen die Abschiebung tausender polnischstämmiger Juden protestieren wollte. Statt des Botschafters trafen seine Schüsse jedoch den jungen Botschaftssekretär Rath. Für die NS-Führung ein willkommener Anlass, die Vorgangsweise gegen die jüdische Bevölkerung unter dem Vorwand des „Zorns der kochenden Volksseele“ zu verschärfen.

Die gezielten Ausschreitungen nach der Aktivierung der SS-Ortsgruppen beschränkten sich allerdings nicht auf eine Nacht, sondern dauerten mehrere Tage an. Allein im „Kreis Wien I“ wurden 1.950 Wohnungen zwangsgeräumt und 42 Synagogen in Brand gesteckt und verwüstet. Hunderte Juden begingen Selbstmord.

Auch in den Bundesländern kam es zu zahlreichen Übergriffen. Die Synagogen in Eisenstadt, Berndorf, Vöslau, Baden, Klagenfurt, Linz und Graz fielen dem Pogrom zum Opfer. In Baden wurden alle Juden verhaftet, in St. Pölten 137, in ganz Salzburg 70, in Klagenfurt 40. Ein Zehntel der rund 650 bis dahin in Oberösterreich lebenden Juden wurde bereits am 8. November festgenommen.

Die Nationalsozialisten erlegten den Juden nach dem Pogrom eine „Sühneabgabe“ von einer Milliarde Reichsmark auf. Sie wurde später noch um 25 Prozent erhöht und war binnen eines Jahres zu zahlen. Für die Schäden musste die jüdische Bevölkerung ebenfalls aufkommen.
„Ö3-Wecker“ mit Robert Kratky, 9. November 2018 (APA)