Sweet Homeoffice Tag 43

Hitradio Ö3/ Clemens Stadlbauer

Home-Sweet-Homeoffice: Tag 43

Wir schreiben mittlerweile Tag 43 im Homeoffice. Quarantäne leitet sich aus dem Französischen ab. Quarante bedeutet die Zahl Vierzig. Da sind wir jetzt drüber und gehen auf den Fünfziger zu. Kommt Zeit, kommt Ratlosigkeit.

Vierzig ist in der Mythologie und in der Religion die Zahl der Prüfung und der Bewährung. Sie steht aber auch für den Tod. Die Sintflut dauerte vierzig Tage. Gerne würde ich sie hinter mir lassen, aber das verbietet der Anstand. Die Welt ist zum Glück noch nicht untergegangen. Im 14. Jahrhundert hat man zur Vermeidung von Pestepidemien vierzigtägige Isolationsperioden verhängt. Diese Krise braucht offenbar mehr Zeit. Das Ende ist nicht nah.

Tage werden zu Wochen, Wochen zu Monaten, Monate hoffentlich nicht zu Jahren. Das schrittweise Hochfahren des öffentlichen Lebens in den nächsten Wochen stimmt viele Menschen fröhlich. Ich teile diese Zuversicht auf eine bessere Zukunft momentan leider überhaupt noch nicht. Bei dem oft strapazierten Begriff „Neue Normalität“ könnte ich kotzen. Für mich beginnt der neue Tag nicht mitten in der Nacht.

„schöne neue welt“ von aldous huxley

Hitradio Ö3/ Montage

Und die Zeit heilt auch nicht alle Wunden. Im Gegenteil. Wenn Ö3 Ende dieser Woche den Isolationsbetrieb beendet, ist das zwar eine erfreuliche Entwicklung, aber aufgrund weiterhin erforderlicher strikter Sicherheitsmaßnahmen bedeutet das noch lange keinen normalen Senderbetrieb. Wenn ich den Kontakt zu Kollegen meiden muss, isoliert hinter einer Plexiglasscheibe an meinem Schreibtisch sitzen muss, und fürs Raucherkammerl eine Zählkarte lösen muss, dann bohrt das vielmehr in meinen Wunden.

Wenn ich im Lokal mit Freunden nicht gemütlich abhängen kann, will ich da gar nicht hin. Ich will auch nicht von den Öffis wieder auf das Auto umsteigen müssen. Ich will im Urlaubshotel nicht mein Frühstück im Schichtbetrieb zu mir nehmen müssen. Ich will mir keine Fußballspiele anschauen müssen, bei denen man jede Traineranweisung hört. Die Vorstellung, weiterhin älteren Menschen, allen voran den Eltern natürlich, konsequent aus dem Weg gehen zu müssen, nervt extrem. Genauso wie die Gesichtsmasken, die man fast immer und fast überall tragen muss.

Post Malone

Suzanne Cordeiro / AFP / picturedesk.com

Und ich will eigentlich auch keine Streaming-Konzerte mehr sehen, obwohl ich Musik so liebe. Wobei, und so ehrlich muss ich selbst in meiner momentanen Scheißlaune sein, das, was Post Malone am Wochenende mit seinem Nirvana-Tribute abgeliefert hat, hätte man ohne Corona so wahrscheinlich nie erleben dürfen. Das war der mit Abstand beste Live-Stream der letzten 43 Tage. Selbst Krist Novoselic hat das geliked. Unbedingt auf Youtube anschauen! Dass er „Smells like Teen Spirit“ nicht gespielt hat, war ein wahrlich großer Nirvana-Moment.

Mit genau diesem Spirit gehe ich in die nächsten Wochen. Die Schöne Neue Welt, die da draußen jetzt anbricht, verweigere ich radikal. Da bleibe ich lieber weitere vierzig Tage in meinem Homeoffice.

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Home-Sweet-Homeoffice: Tag 42

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Clemens Stadlbauer

Milenko Badzic

Clemens Stadlbauer

Aus der Ö3-Musikredaktion...

Ö3-Reporter Clemens Stadlbauer berichtet hier regelmäßig über aktuelle Trends und News aus der Musikwelt.
Neben seiner Arbeit bei Ö3 hat er fünf Bücher veröffentlicht, darunter den Bestseller „Quotenkiller“. Stadlbauer ist verheiratet und Vater einer Tochter.

(CS)