Habichtskauz

APA/DANIEL ZUPANC

Wiederansiedelung: Jedes dritte Habichtskauz-Paar in Wien

Vor mindestens 150 Jahren ist der Habichtskauz im Wiener Raum verschwunden, Mitte des 20. Jahrhunderts waren diese Vögel dann in ganz Österreich ausgestorben. Seit 2009 bemüht man sich um die Wiederansiedlung in Österreich, vor zehn Jahren startete das Projekt in der Bundeshauptstadt - mit Erfolg, wie die Verantwortlichen am Donnerstag bekannt gaben.

Als Hauptursache für das Aussterben der Habichtskäuze (Strix uralensis) gelten Abschüsse der Vögel. Zudem kam den beachtlich großen Eulen ihr bevorzugter Lebensraums abhanden: ausgedehnte naturnahe Laubmischwälder mit großen, alten Bäumen, wo sie in Baumhöhlen brüten.

2009 starteten Wissenschafter der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) ein Wiederansiedlungsprojekt und ließen im Biosphärenpark Wienerwald und im Wildnisgebiet Dürrenstein (NÖ) die ersten Habichtskäuze frei. Mittlerweile wurden insgesamt 460 Vögel freigelassen, 140 davon seit 2011 im Wiener Anteil des Wienerwaldes, berichtete Projektleiter Richard Zink vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni und der Österreichische Vogelwarte bei einer Pressekonferenz in den Blumengärten Hirschstetten der Wiener Stadtgärten. Der Zoo in Hirschstetten ist Teil eines internationalen Zuchtnetzwerks mit rund 50 Brutpaaren und hat bisher 21 Vögel nachgezüchtet.

Habichtskauz

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Die Wissenschafter gehen davon aus, dass es in Österreich aktuell wieder 45 Reviere gibt, rund ein Drittel davon in Wien. „Dass der Habichtskauz - noch vor kurzem eine der zehn seltensten Vogelarten Österreichs - im Wald einer Metropole wieder angesiedelt wurde, ist schon bemerkenswert“, sagte Zink zur APA. Und die Tiere vermehren sich: Die in der Bundeshauptstadt lebenden Paare haben bisher 26 Jungvögel im Freiland bis zum Ausfliegen gebracht.

Drei Freilassungsplätze in Wien

Die große Dichte der wiederangesiedelten Habichtskäuze direkt am Rand der Großstadt erklärt sich auch durch gute Brutbedingungen: Weil der Wald in Wien nach anderen Kriterien als herkömmliche Forste bewirtschaftet werde, gebe es sehr alte Bäume, die etwa im Lainzer Tiergarten den Habichtskäuzen natürliche Brutplätze bieten. Zusätzlich wurden im Zuge des Projekts hunderte Nistkästen als Unterstützung für die Wiederansiedlung montiert. Im Wienerwald kommen dabei schwarze Müllbehälter der MA48 zum Einsatz, die den Vorteil haben, nicht zu verrotten.

Im Laufe der Jahre haben die Wissenschafter auch viel Erfahrung und Wissen gesammelt. So hat sich für die Freilassung der nachgezüchteten Jungvögel ein Zeitfenster um den 100. Lebenstag als optimal für ihre Überlebenschance herauskristallisiert. Üblicherweise werden die Jungeulen im Familienverband bis in den Spätherbst betreut. Daher werden nachgezüchtete Tiere am Freilassungsplatz - in Wien gibt es drei davon, einer etwa im Lainzer Tiergarten - nach zwei bis drei Wochen Haltung im Freilandgehege nach ihrer Freilassung bis in den Herbst mit Futter unterstützt, um sich im Wald einzugewöhnen.

Habichtskauz

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Zur Erfolgskontrolle setzen die Wissenschafter ein ganzes Bündel an Monitoringmethoden ein. Sie haben eine Datenbank mit genetischen und anderen Informationen über mittlerweile mehr als 1.200 Habichtskäuze aufgebaut. Durch den genetischen Fingerabdruck jedes Tiers können sie etwa nur anhand einer Daunenfeder einzelne Individuen identifizieren und so die Entwicklung der Freilandpopulation verfolgen. So fanden sie heraus, dass auch noch Vögel brüten, die im ersten Jahr des Projekts 2009 freigelassen wurden.

Dass sich die Population positiv entwickelt, zeigen auch die Zahlen des Bruterfolgs: „Mit 2,79 Jungen pro erfolgreicher Brut können wir im internationalen Vergleich gut mithalten“, sagte Zink unter Verweis etwa auf Finnland mit besonders großen Habichtskauzvorkommen, wo die langjährige Reproduktionsrate bei 2,18 Jungen pro erfolgreicher Brut liegt. Laut einer Publikation aus Schweden sei mit einer positiven Bestandsentwicklung ab 2,15 Jungen zu rechnen.

Lauschangriff geplant

Weitere Maßnahmen, um den Erfolg der Wiederansiedlung zu überwachen, sind Webcams und Spiegel zur leichteren Kontrolle der Vorgänge in den Nistkästen, spezielle Ringe für die Beringung mit einer eigenen Farbe für jeden Jahrgang oder Telemetrie. Mittels kleiner Sender „konnten wir zeigen, dass die Vögel sehr gut Anschluss an die Populationen im Norden an der tschechisch-bayerischen Grenze und im Süden in Slowenien finden und damit wieder in einen genetischen Austausch treten können“, freut sich Zink darüber, dass damit eines der Ziele des Projekts bereits erreicht werden konnte.

In Kürze wollen die Wissenschafter zudem einen Lauschangriff auf die Habichtskäuze starten: Im Wald aufgehängte Audiorecorder sollen in der Dämmerung alle Laute aufzeichnen. Durch Einsatz künstlicher neuronaler Netzwerke können so Rufe von Habichtskäuzen automatisiert erkannt werden.

Weniger, dafür genetisch gezielte Freilassungen

Trotz der positiven Zahlen „steht die Population aber genetisch noch auf sehr wackeligen Beinen“. Damit diese Krankheiten oder klimatische Katastrophen überstehen könne, brauche sie Resilienz - und dafür sei eine ausreichende genetische Heterogenität erforderlich. „Wenn wir sicherstellen wollen, dass die bisher in das Projekt gesteckten Investitionen auch langfristig Früchte tragen, dann ist es erforderlich, die genetische Variabilität in der freigelassenen Population weiter zu erhöhen“, betonte Zink.

Aus diesem Grund sollen in Zukunft nicht mehr jedes Jahr möglichst viele Vögel, sondern gezielt seltene genetische Linien freigelassen werden. Es sei aber gar nicht so einfach, diese zu bekommen und daher ein Prozess, der sich über mehrere Jahre erstrecken werde.

(APA)