Frau hört Musik und schnippt mit den Fingern

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Forscher enträtselten die Physik des Fingerschnippens

US-Forscher haben das Geheimnis des ultraschnellen Schnippens von Daumen und Mittelfinger aufgedeckt. Demnach steckt die Essenz in der optimalen Reibung und Kompressionsfähgkeit der Fingerhaut, was eine explosionsartige Freisetzung der Energie ermöglicht.

Die früheste Überlieferung des Fingerschnippens stammt aus dem antiken Griechenland. Auf einem rund 2.300 Jahre alten Keramikgefäß tanzt Pan, der griechische Gott der Wildnis, während er dem Anschein nach mit dem rechten Mittelfinger und Daumen schnippt. Der scharfe Klang, der beim Fingerschnippen entsteht, ist jedoch nicht der griechischen Kultur eigen. Tatsächlich nutzen ihn Menschen weltweit, etwa als Begrüßungsritual in Liberia oder beim Flamenco-Tanzen.

Nur: Die Physik des Fingerschnippens war bisher unerforscht. Das änderten nun die US-Physiker um Saad Bhamla vom Georgia Institute of Technology: Mit Kameraaufnahmen, Kraftsensoren, Experimenten und Simulationen entschlüsselten sie, welche physikalischen Eigenheiten diesem unverwechselbaren Klang zugrunde liegen. Davon berichten sie im britischen Wissenschaftsmagazin „Journal of the Royal Society Interface“.

Superschnelle Rotationsbeschleunigung

Physikalisch ausgedrückt ist das Fingerschnippen demnach das Resultat eines mehrstufigen Prozesses: Indem Daumen und Mittelfinger fest aneinandergepresst werden, baut sich Kraft auf. Die Reibung zwischen den beiden Fingern „verriegelt“ die Bewegung quasi und speichert die Energie. Anschließend beginnt der Entriegelungsprozess, wobei der Mittelfinger seitlich am Daumen vorbeigleitet - und die Energie explosionsartig freigesetzt wird.

Während des Schnippens ist die Rotationsbeschleunigung den Forschern zufolge fast dreimal so schnell wie diejenige des Arms eines professionellen Baseballspielers, der einen Ball schlägt. Tatsächlich zähle das Fingerschnippen wohl zu den schnellsten Rotationsbeschleunigungen des menschlichen Körpers.

Die Physiker fanden heraus, dass die Haut der Fingerspitzen den optimalen Reibungskoeffizienten sowie die optimale Kompressionsfähigkeit aufweist. Lägen die Werte tiefer, könnte weniger Kraft zwischen Daumen und Mittelfinger aufgebaut werden. Das wird beispielsweise deutlich, wenn man sich die Hände mit Schmiermittel oder Feuchtigkeitscreme einreibt.

„Erstaunliches Geheimnis“ gelöst

Lägen die Werte hingegen höher, könnte sich zwar mehr Kraft aufbauen, aber die Schnippgeschwindigkeit wäre viel zu langsam. Dies geschieht etwa dann, wenn man sich ein Fingerhütchen aus Gummi über die Fingerkuppen stülpt.

Zwar schreiben die US-Forscher, dass ihre Erkenntnisse dazu beitragen könnten, beispielsweise robotische Prothesen mit neuen Funktionen zu schaffen. Studienleiter Saad Bhamla meinte allerdings auf Anfrage, dass Anwendungen zwar in der Tat großartig seien. Aber der wirkliche Zweck der Studie sei gewesen, „das erstaunliche Geheimnis zu lösen, das sich direkt an unseren Fingerspitzen abspielt.“

„Ö3-Wecker“ mit Robert Kratky, 17. November 2021 (APA/sda)