Sonnblick-Observatorium

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Erstaunlich hohe Nanoplastik-Ablagerungen am Sonnblick

Messungen auf dem 3.106 Meter hoch gelegenen Sonnblick-Observatorium in den Hohen Tauern haben gezeigt, dass pro Jahr auf jeden Quadratkilometer etwa 42 Kilogramm Nanoplastik rieseln.

Teilweise wurden die Teilchen bis zu 2.000 Kilometer durch die Luft transportiert, berichtet ein internationales Forscherteam, darunter die Leiterin des Observatoriums, Elke Ludewig von der ZAMG, im Fachjournal „Environmental Pollution“.

Mithilfe von Wind- und Wetterdaten konnten die Wissenschafter um Dušan Materić von der Universität Utrecht (Niederlande) die Herkunft der Plastikteilchen und ihre Verfrachtung rekonstruieren. Demnach stammen rund 30 Prozent der winzigen Teilchen, die kleiner als ein Mikrometer sind, aus urbanen Gebieten, die höchstens 200 Kilometer vom Sonnblick entfernt sind. Die Daten deuten aber auch auf einen weiträumigen und globalen Transport hin. So stammten zehn Prozent der erfassten Nanoplastikteilchen aus einer Entfernung von mehr als 2.000 Kilometern. Teilweise liege die Quelle des Nanoplastiks im Atlantik, wo es offenbar über die Gischt der Wellen in die Luft gelangt.

Die Forscher haben im Spätwinter 2017 rund eineinhalb Monate lang die Ablagerungen gemessen. Seitens der EMPA, von der Dominik Brunner an der Studie beteiligt war, wird betont, dass die Studie wissenschaftliches Neuland sei, die Verbreitung von Nanoplastik durch die Luft sei bis heute weitgehend unerforscht. Es handle sich um die genauste Erfassung der Luftverschmutzung durch Nanoplastik, die jemals durchgeführt wurde.

Weitere Messungen geplant

Dennoch ist die ermittelte mittlere Ablagerungsrate von 42 Kilogramm Nanoplastik pro Quadratkilometer und Jahr mit einem großen Unsicherheitsfaktor behaftet, der Wert kann zwischen 17 und 74 Kilogramm liegen, schreiben die Forscher in der Arbeit. Zudem würden die Zahlen erst auf einer einzelnen Studie beruhen, sagte Brunner von der EMPA im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Die Werte müssten daher - wie auch die gesundheitlichen Auswirkungen - in weiteren Studien überprüft werden. Dann ließen sich auch aussagekräftige Bewertungen der Belastung der Luft und des Alpenraums durch Nanoplastik erstellen. Neue und detailliertere Messungen am Sonnblick-Observatorium der ZAMG sind bereits geplant.

Dass die Datenlage zu Nanoplastik noch äußerst lückenhaft ist, lässt sich insbesondere darauf zurückführen, dass die Messung dieser kleinsten Teilchen eine analytische Herausforderung darstellt. Das Forschungsteam hat deshalb ein chemisches Verfahren entwickelt, um die Verschmutzung der Proben durch Nanoplastik mit einem Massenspektrometer zu bestimmen.

Übertritt in Blutkreislauf?

Schätzungen zufolge sind bis heute mehr als 4.900 Millionen Tonnen Kunststoffe in die Umwelt gelangt, wo sie zu immer kleineren Partikeln fragmentieren. Zu den ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen dieser Kleinstteilchen, insbesondere von Nanoplastik, weiß die Forschung jedoch noch wenig.

„Wir wissen, dass Mikro- und Nanoplastik fast überall vorhanden ist. Aber ob das wichtig oder gar gefährlich ist, müssen wir erst noch erforschen“, so Bernd Nowack von der EMPA, der nicht direkt an der Studie beteiligt war. So können Nanopartikel tief in die Lunge eindringen, während größere Partikel wahrscheinlich von den oberen Atemwegen herausgefiltert werden. Aufgrund ihrer geringen Größe könnten Nanokunststoffe möglicherweise auch die Zell-Barriere passieren und in den Blutkreislauf gelangen.

(APA/sda)