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Unpolitischer Song Contest: Ruhe in Frieden
1969, als der Bewerb in Madrid ausgetragen wurde, hat Österreich, - man mag es kaum glauben -, Haltung gezeigt und den ESC wegen des diktatorischen Franco-Regimes boykottiert. Als die Türkei 1975 erstmals teilnimmt, boykottiert Griechenland den Bewerb wegen des Zypern-Konflikts. Vier Jahre später boykottiert wiederum die Türkei den Contest in Jerusalem wegen des Palästina-Konflikts. Und so weiter und so fort.
Der größte Konflikt, der je in den ESC hinein getragen wurde, eskaliert 2016 in Stockholm, als die ukrainische Sängerin Jamala, zwei Jahre nach der Krim-Annexion durch Russland, mit ihrem Song „1944“ gewinnt. In dem Lied geht es um die Deportation ihrer krimtartarischen Urgroßeltern durch das Stalin-Regime. Im Ö3-Interview bittet sie damals eindringlich um die Aufnahme der Ukraine in die EU.
Und jetzt, in Zeiten des Krieges, ist Russland hier in Turin ausgeschlossen, und die ukrainischen Teilnehmer, das Kalush Orchestra, gelten als haushohe Favoriten auf den Sieg. Es kursieren schon Gerüchte, dass die Hip-Hopper aus Kiew am Samstag den Song live auf der Bühne hochpolitisch umtexten werden, - aus Mutter Stefania könnte explizit Mutter Ukraine werden -. was natürlich eine Disqualifikation zur Folge hätte. Die Aufmerksamkeit Europas wäre ihnen aber sicher.

Clemens Stadlbauer
Rein musikalisch hält Sam Ryder aus dem United Kingdom dagegen, der mit „Space Man“ heuer den größten Hit am Start hat. Er gilt als Mitfavorit auf den Sieg. Wäre da nicht der Brexit. Die letzten beiden Bewerbe hat UK deswegen souverän den letzten Platz eingefahren.

Milenko Badzic
Ö3-Reporter Clemens Stadlbauer
Aus der Ö3-Musikredaktion...
Ö3-Reporter Clemens Stadlbauer berichtet hier regelmäßig über aktuelle Trends und News aus der Musikwelt. Neben seiner Arbeit bei Ö3 hat er fünf Bücher veröffentlicht, darunter den Bestseller „Quotenkiller“. Stadlbauer ist verheiratet und Vater einer Tochter.
„Ö3-Wecker“ mit Robert Kratky, 12. Mai 2022