Norbert Ivanek/Hitradio Ö3
Rolling Stones – Die Hawara rocken Wien
Allein der direkte Vergleicht macht sicher. Vor zwei Tagen waren im selben Stadion Guns n’ Roses auch nicht gerade schwach unterwegs. Doch im Vergleich zur ungezügelten Power der Rolling Stones würden sie maximal als deren Vorband durchgehen.
Diesen nicht immer sehr dankbaren Job haben gestern Abend übrigens Bilderbuch bravourös erledigt. Der typische Stones-Fan zeichnet sich ja nicht gerade durch musikalische Toleranz aus. Prince haben sie auf einer US-Tournee einmal mit Bierbechern von der Bühne geschossen. Gut, in Strapsen aufzutreten, war wahrscheinlich nicht gerade seine beste Idee. Bilderbuch hingegen, mit nacktem Oberkörper von Sänger Maurice auch nicht unsexy, wurden nach einer fulminanten Darbietung von „Maschin“ aber durchaus heftig umjubelt.
Norbert Ivanek/Hitradio Ö3
Bei dieser Sixty-Tour, bei der sich die Rolling Stones einmal mehr in Top-Form präsentieren, ist es unmöglich, das Highlight der Show zu benennen. Die zwölfminütige, extrem dreckige Version von „Midnight Rambler“ würde sich anbieten. Das erstmals live gespielte „Out of Time“, das überraschend modern und poppig dahergegroovt ist, wäre ein Kandidat. „Living in a Ghost Town“, der Soundtrack zum erstem Lockdown, hat sich verblüffend nahtlos in die großen Klassiker eingereiht.
Apropos. Vom Opener „Street Fighting Man“ über „Jumpin’ Jack Flash“, „Honky Tonk Women“, „Start Me Up“, „Gimme Shelter“ bis hin zum unverwüstlichen „Satisfaction“ waren so ziemlich alle Stones-Hymnen auf der abwechslungsreichen Setlist vertreten, bei der „Wild Horses“ als Sieger der Publikumswahl und „Like a Rolling Stone“ als besondere Perlen geglänzt haben. Ein emotionaler Höhepunkt war sicher auch „You Can’t Always Get What You Want“, bei dem ein ukrainischer Kinderchor, der mit dem Bus direkt aus Kiew angereist ist, eingekleidet in T-Shirts mit dem Zungen-Logo in Blau-Gelb, im Background für Gänsehaut gesorgt hat.
Norbert Ivanek/Hitradio Ö3
Die Bühne war diesmal nicht ganz so pompös wie bei den letzten Shows, aber elegant und vor allem zweckdienlich. Die Rolling Stones verzichten 2022 auf jeglichen Schnickschnack und präsentieren sich lieber als unprätentiöse Rockband, die sich allein mit der Musik in den Vordergrund spielt. Lediglich drei große Videowalls sind übrig geblieben, was natürlich dem Tod von Drummer Charlie Watts geschuldet ist.
Norbert Ivanek/Hitradio Ö3
Gleich zu Beginn der Show haben Mick Jagger, Keith Richards und Ron Wood ihrem langjährigen Weggefährten ein audiovisuelles Denkmal gesetzt. Würdig ersetzt wird er durch Steve Jordan, der auch schon mit John Mayer und Eric Clapton gespielt hat und fixes Mitglied der X-pensive Winos ist, der Zweitband von Keith Richards, der als Sänger wie üblich auch diesmal zwei Songs ins Oval krächzen durfte.
Der Hauptsänger, der demnächst 79-jährige Mick Jagger, ist ein medizinisches Wunder auf zwei Beinen, die ihn auch noch in hohem Alter ohne Knieschoner mühelos über die gigantische Bühne wirbeln lassen. Dass er dabei auch noch glasklar singt, ohne zu schnaufen, ist echt nicht normal. Es ist wahrscheinlich die unbändige Leidenschaft für seinen Job, die ihn zu immer neuen Höchstleistungen antreibt. Die nächste Tour am nächsten Kontinent ist sicher schon in Planung. Und irgendwann ist dann hoffentlich wieder Europa dran. Vienna waits for you.
Milenko Badzic
Aus der Ö3-Musikredaktion...
Ö3-Reporter Clemens Stadlbauer berichtet hier regelmäßig über aktuelle Trends und News aus der Musikwelt. Neben seiner Arbeit bei Ö3 hat er fünf Bücher veröffentlicht, darunter den Bestseller „Quotenkiller“. Stadlbauer ist verheiratet und Vater einer Tochter.
„Ö3-Supersamstag“ mit Tarek Adamski, 16. Juli 2022