Eurovison Song Contest 2024 Malmö

ESC

Keine Party-Stimmung in Malmö

Kaleen hat den Einzug ins Finale geschafft. Die 29jährige Oberösterreicherin ist überglücklich. Gefeiert hat sie dennoch nicht. Damit fügt sie sich in die allgemeine Stimmungslage hier in Malmö: Die große ESC-Party findet heuer nicht statt.

Was für ein Unterschied zu Liverpool voriges Jahr. Die ganze Stadt war eine Woche lang im Ausnahmezustand. Die Engländer haben bis zum Umfallen gefeiert, besonders in den Pubs. In Malmö hingegen ist die Stimmung ziemlich ernüchternd. Den sonst so ESC-verrückten Schweden ist die Feierlaune gründlich vergangen.

Interview mit Kaleen

Doris Pommerening

„United by Music“ lautet das Motto des ESC. „Divided by Music” trifft es heuer wohl besser. Der größte Gesangswettbewerb der Welt ist endgültig zum Politikum geworden. Was er laut Statuten nicht sein will. Aber so ein Krieg kann nun mal leider eine ziemliche Spaßbremse sein. 2022 musste man Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine vom ESC ausschließen. Und heuer steht der ESC wegen der Teilnahme Israels selber in der Schusslinie.

Die aktuelle Vorgehensweise Israels im Kampf gegen die Hamas kommt in einer Stadt wie Malmö nicht sehr gut an. Der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund ist hier besonders hoch, genauso wie die Arbeitslosigkeit und die sozialen Spannungen, die sich oft in organisierter Bandenkriminalität entladen. Und auch der queere und freizügige Charakter des ESC ist den vielen Migranten mit syrischem, libanesischem, irakischem und iranischem Background ein Dorn im Auge.

So mancher der 300.000 Einwohner ist aus Angst vor Tumulten, gewalttätigen Auseinandersetzungen und Terrorgefahr vorsorglich aus der Stadt geflüchtet. Abseits der üblichen Party-Locations wie Euro-Village und Euro-Club, wo sich hauptsächlich die ESC-Touristen vergnügen, wirkt Malmö wie eingeschlafen. Kein Public-Viewing, keine Dauerberieselung mit den größten ESC-Hits aller Zeiten, keine spontanen Get-Togethers im öffentlichen Raum.

Dafür wird umso mehr demonstriert. Vor dem zweiten Halbfinale, in dem auch Eden Golan für Israel den Einzug ins Finale geschafft hat, begleitet von heftigen Buhrufen in der Halle, haben sich in der Innenstadt tausende Menschen versammelt, um gegen den ESC friedlich zu protestieren. Die Organisation Stoppa Israel hat als Gegenprogramm zum ESC darüberhinaus auch einen „völkermordfreien Song Contest“ propagiert.

Demo beim ESC in Malmö

Martin Fichter-Wöß

Die schwedische Polizei hingegen lebt den europäischen Spirit, indem sie sich Unterstützung aus Dänemark und Norwegen geholt hat. Ein Großaufgebot an Einsatzkräften sichert das Areal rund um die Arena ab. Mit Scharfschützen auf den Dächern, Panzerwägen, Überwachungsdrohnen und schwer bewaffneten Patrouillen. Logisch, dass da keine allzu große Feierlaune aufkommt.

In der ESC-Bubble selbst kriegen die Acts kaum etwas mit von der unschönen Begleitmusik draußen. Und das ist gut so. Schlimm genug, dass eine junge Sängerin in der Halle so ausgebuht wird, als ob sie diese Politik verantworten würde. Für Samstag sind jedenfalls schon die nächsten Demonstrationen angekündigt worden. Aber auch in der Halle selbst wird es eine Demonstration geben. Von tollen Acts aus 26 verschiedenen Nationen, für Frieden und Toleranz in Europa, United by Music. Und das wird dann garantiert eine tolle Party. Alles Gute, Kaleen!

Song Contest
Clemens Stadlbauer

Milenko Badzic

Ö3-Reporter Clemens Stadlbauer

Aus der Ö3-Musikredaktion...

Ö3-Reporter Clemens Stadlbauer berichtet hier regelmäßig über aktuelle Trends und News aus der Musikwelt. Neben seiner Arbeit bei Ö3 hat er fünf Bücher veröffentlicht, darunter den Bestseller „Quotenkiller“. Stadlbauer ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Dieser Beitrag begleitet die Sendung „Ö3-Wecker“, Ö3, 10. Mai 2024