Robbie Williams: Das Ö3-Interview zum Nachlesen

Über das neue Album „Swings Both Ways“

R: Natürlich möchte ich an den Erfolg von „Swing When You’re Winning“ anknüpfen, das war mein meistverkauftes Album bisher. Mir war damals aber klar, dass ich eines Tages wieder zum Swing-Projekt zurück will und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen.

Über das Jahr 2001, als er „Swing When You’re Winnig“ herausgebracht hat und seine Wandlung.

R: Ich denke, ich war damals ungeheuer dünn. Und ich war unglaublich dünn, weil ich so unglaublich deprimiert war. Es war eine sehr depressive Zeit für mich. Unglücklicherweise sehe ich am besten aus, wenn ich am depressivsten bin. Damals stand ich eben in diesem grellen Scheinwerferlicht - ich war die Beute, und die Medien waren die Jäger. Es war unerträglich damals.

C: Hat sich das geändert? Es ist doch immer noch dasselbe, nicht?
R: Sie suchen mich nicht mehr. Sie sind weitergezogen, zu neuer Beute - zu Miley Cyrus, Adele, Justin Bieber. Aber 2001 ist folgendes passiert: Ich hab es bis ganz nach oben geschafft. Und da sollte ich jetzt sagen: ‚Ich bin glücklich, und es macht mich dankbar. Jetzt bin ich ein ausgeglichener Mensch, weil Erfolg großartig ist.‘ Aber ich war einfach nur verwirrt, weil ich wirklich unglücklich war und es bei mir genau das Gegenteil bewirkt hat. Aber ich bin damals einfach immer hinaufgefallen. Alles, was ich angegriffen habe, hat sich in Gold verwandelt, hat sich einfach toll verkauft. Und gemeinsam mit dieser großen Traurigkeit war dieser riesige Erfolg, und ich hab versucht, die beiden zu vereinen und das alles zu verstehen. Ich bin wirklich glücklich, dass ich da herausgefunden hab. Die Person, die ich heute bin, ist also weniger deprimiert, zufriedener, glücklicher, ausgeglichener, sie jammert nicht soviel herum. Einfach allgemein glücklicher und erfüllt.

Über Drogen

C: Also hast du wirklich gelernt nein zu sagen?!
R: Hm, nicht wirklich. Ich bin nicht so unüberlegt heute. Ich würde sagen, ich bin jetzt wirklich auf dem Weg zu einem Ort, der ‚Mäßigung‘ heißt. Aber ich wehre mich mit Händen und Füßen auf dem Weg dorthin, das wird mich wohl ins Grab bringen. Ich bin eben noch immer ein kleiner Wahnsinniger, der sich zudröhnen will. Aber ich bin eben auch ein Papa, und meine Tochter verdient etwas Besseres.

C: Also, wenn du an deine wilden Zeiten denkst mit Drogen, viel Alkohol, den vielen Frauen. Waren das die aufregenden Zeiten?
R: Also, du nimmst Drogen nicht, weil sie nur Scheiße sind. Sie machen eben süchtig. Und das bringt dich in Schwierigkeiten. Und ich habe viele gute Zeiten erlebt – nicht lange eigentlich, weil ich schnell ausgebrannt bin. Aber eine Zeit lang haben die Hochs die Tiefs aufgewogen. Und das ist jetzt nicht mehr so. Das ist zu anstrengend.

Über sein Burn-out und Berühmtheit

R: Du wirst einfach verrückt, wenn du so berühmt bist. Es ist einfach eine Ansammlung von dummen Dingen. Ein Licht, das auf dich leuchtet, das ist scheißunheimlich. Du siehst dein Leben wie im Spiegelkabinett. Alles ist verzerrt. Die Reaktionen der Leute dir gegenüber sind verzerrt. Es wird dir ausgerichtet, dass du ein Mistkerl bist. Ach so, ich bin also ein Mistkerl. Dann wird dir gesagt, dass du ein Gott bist. Ach so, ich bin ein Gott! Du wirst mit Kokain abgefüllt. Du trinkst das. Deine Familie dreht durch. Du hast dieses Mädchen, mit der du Sex hattest, die eine Geschichte über Dich verkauft hat und du kannst einfach nicht mehr vertrauen. Und es summiert sich alles. Aber wen kümmert es? Es ist passiert, und es passiert doch jedem. Ich glaube jeder, der nach dem Rampenlicht sucht, aus welchem Grund auch immer, ist keine sehr runde Persönlichkeit. Da ist eine Bedürftigkeit da. Eine Empfindlichkeit. Ich war immer eine sehr sensible Persönlichkeit. Dinge gehen mir näher als dem Durchschnitt. Aber alles, was ich heute weiß, ist, dass es so war. Es war scheiße und heute ist es gut.

Über sein Familienleben

C: Hast du nicht Angst, dass dir dieses bürgerliche Leben irgendwann zu langweilig wird? Wo du doch so eine exzessive Seite hast.
R: Ja, ich bin mir sicher, genau dafür gibt es ja die Midlife-Crisis. Ich bin mir sicher, dass ich mich so etwas erwartet. Also Paparazzi: Macht euch bereit für das Foto von mir mit zwei Stripperinnen auf dem Rücksitz eines Ferrari in circa sechs Jahren. Ich bin eigentlich süchtig danach, zufrieden zu sein. Ich muss nicht da hinausgehen und alles zunichte machen - die gute Arbeit, die ich gemacht habe, oder das Glück, das ich gefunden habe. Ich würde die Behauptung wagen, dass ich in diesem Modus bleibe, bis ich sterbe.

C: Ist diese Veränderung, deine Zufriedenheit, mit deiner Tochter oder mit deiner Ehe gekommen?
R: Mit beidem. Und mit der Zeit. Und der Reife. Aber ich denke auch, weil ich eine Frau habe, der ich vertraue und die ich liebe. Sie hat mir den richtigen Weg gezeigt, und irgendwie hab ich aufgehört nach dem Kick im Außen zu suchen.

Über seine Ehefrau Ayda

C: Warum hast du bei ihr gespürt, dass sie die Richtige ist?
R: Timing. Endlich die Möglichkeit zu haben, mich auf eine Beziehung zu konzentrieren. Weil ich eigentlich bis dorthin nur gearbeitet habe, seit ich 16 war. Ich hab Album nach Album nach Album herausgebracht. Jedes Jahr derselbe Trott. Album – Promo – Tour – Album – Promo – Tour - Girl – Girl – Sex – Sex – Koks – Koks – Girl – Girl. Es gab keine Zeit für eine Beziehung. Und ich war nicht fähig eine zu führen, auch wenn ich eine wollte. Und dann bin ich älter geworden, hab mir eine Auszeit genommen und habe diese wunderbare Person getroffen. Der ich vertraue. Die mich zum Lachen bringt. Die ein warmes Herz hat. Die mich nie langweilt und die ich nie langweile. Und sie findet mich auch großartig! Und sie ist wirklich ehrlich.

C: Und wie geht sie mit den kreischenden Mädels um, mit der ganzen Hysterie rund um dich?
R: Mein Job ist eben mein Job, und es werden bestimmte Vorkehrungen getroffen, dass ich sicher in mein Zimmer komme oder auf die Bühne. Ich geh nicht ins Pub oder in einen Club. Ich geh nicht mal ins Restaurant. Es gibt also nur wenige Möglichkeiten für jemanden, sich auf mich zu werfen.

Über seine Sex-Bilanz

C: Formel-1-Playboy James Hunt sagte, er hatte Sex mit 4.000 Frauen. Würdest du dich darüber oder darunter einreihen?
R: Oh, weit darunter. Aus irgendeinem Grund haben sich die Frauen entschlossen, nicht mit mir ins Bett zu wollen. Sie dachten sich, sie würden den Goldschatz am Ende des Regenbogens abräumen. Und sie haben die Sex-Pausetaste gedrückt, immer wenn sie mich getroffen haben. Das war wirklich sehr frustrierend. Und ich habe gern gekuschelt, war ein guter Gesprächspartner: ‚Ach wirklich, erzähl mir von deinem Papa. Und wie hast du dich damals gefühlt etc...‘ Und während alle meine Mitbewohner nebenan Sex hatten, hab ich Papa-Probleme gewälzt mit Miss Wie-auch-immer. Und es war wie erwartet. Ich wusste jedesmal ich werde nicht mit so einer schlafen, weil sie sagt: ‚Ich mag diesen Mann, ich möchte ihn heiraten, und ich werde die Hälfte von all dem nehmen, was er besitzt.‘ Und ich wollte diese Frauen nicht heiraten. Ich wollte Sex mit ihnen. Also ich hab mit vielen Frauen geschlafen. Aber bei vielen habe ich es auch nicht geschafft. Das war frustrierend.

Über Treue

R: Ich hab seit 13 Jahren nichts mehr getrunken. Ich glaube, wenn Du beim Alkohol einmal wieder die Tür aufmachst, dann gibt es kein Halten mehr. Ich habe mich jedenfalls nie in einer brenzligen Situation befunden, wo ich mir Sorgen machen müsste. Klar, du kannst mit dem Feuer spielen. Aber keiner zwingt dich dazu. Komischerweise: Seit ich mit dem Koks aufgehört habe, begegnet es mir auch nicht. Und seit ich verheiratet bin, gibt es keine Sexhäschen mehr, die vor mir das Höschen runterziehen.

Über seine Tochter Teddy

C: Macht dir deine Vaterrolle Angst?
R: Ja, ich weiß, wie ich meine Eltern für bestimmte Dinge verantwortlich mache. Und es ist immer sehr einfach auf andere Leute zeigen zu können, bevor man dann selber die Verantwortung übernehmen muss. Und es macht mir Angst, weil ich eigentlich... nur fernsehen will. Und um vier Uhr früh ins Bett gehen und um zwei Uhr am Nachmittag aufwachen. Das bin ich nun mal. Aber ich habe herausgefunden, dass in mir auch der Papa steckt, der verantwortungsbewusst ist und der es wirklich genießt, Zeit mit seiner Tochter zu verbringen. Und sie ist so toll. Sie ist so cool. Und lieb und lustig. Und schön. Und klug.

C: Also, was machst du mit ihr – spazieren gehen?
R: Ja, ja. Ich bin ein Papa, der anpackt. Ich wechsle Windeln. Ich füttere sie. Ich kümmere mich ums Rülpsen. Ich mache das Bad. Ich bringe sie ins Bett. Und ich gehe spazieren mit ihr.

Über die USA und den Alltag

C: Wie ist dein Alltag in Amerika? Was machst Du den ganzen Tag?
R: In Amerika mach ich viel mehr draußen, als ich das hier in Europa mache. Ganz einfach schon mal, weil das Wetter besser ist. Ich kann jederzeit in meinen Garten gehen und mich in die Sonne setzen. Oder in den Pool.

C: Gehst du manchmal in den Supermarkt?
R: Yeah. Aber nur dann und wann. Das mache ich nicht regelmäßig. Aber ich hatte einen Schlüsselmoment. Ich wollte immer als der Typ von Nebenan gesehen werden. Als ein Mann zum Angreifen. Vor drei Wochen hab ich mir ein Gemüse im Kühlschrank angeschaut. Und ich wusste nicht, was es war. Es war eine Gurke! Also, ich bin wirklich ziemlich daneben. Und da hab ich erkannt, dass ich wohl ein wenig irre bin und dass ich mich verändert habe. Denn wenn du nicht mehr weißt, wie eine Gurke aussieht, hast du ein Problem.

Über seine Diät

R: Für die längste Zeit hab ich nur Frühstück gegessen und sonst nix. Circa sechs Wochen lang jetzt. Und ich hab etwa sieben, acht Kilos abgenommen.

C: Also du zwingst dich dazu? Weil es gibt diesen Song auf deinem neuen Album: „No One Likes A Fat Popstar“. Fett zu sein: Ist das eine der größten Bedrohungen im Showbusiness?!
R: Hm, weißt Du, kommenden Februar werde ich 40. Und ich möchte den Februar erleben, 40 werden und in guter Form sein. Ich habe das als fixe Idee, sodass ich dann wirklich sagen kann: ‚Ja, es ist total in Ordnung 40 zu werden. Macht euch keine Sorgen!‘ Weil ich könnte ohne weiteres der 200-Kilo-Typ sein. Wenn es nicht diesen Druck der Medien gäbe, dann hätte ich wahrscheinlich schon verstopfte Arterien.

Über den 40. Geburtstag

C: Wie siehst du deinem 40. Geburtstag im Februar entgegen? Ist es ein Einschnitt, eine Veränderung?
R: Ich bin einfach misstrauisch. Ich weiß nicht, was es bedeutet. Es ist ein Alter, das einmal sehr alt war, als ich sehr jung war. Und es war ein Alter, das nie mein Alter sein würde, weil es zwanzig, dreißig Jahre weit weg war. Und jetzt steht der Vierziger vor meiner Tür. Aber ich messe meine Karriere auch an der eines Fußballers. Und ich werde nie mehr ein A-Liga-Fußballer sein - was traurig ist. Und die gehen in meinem Alter auch in Pension. Also kann ich mein Alter an nichts mehr messen. Schau, alle Altersgenossen sind Fußballer und gehen jetzt in Pension.

Über seine Glücksquote derzeit

C: Wenn ich dir eine Skala anbiete von Null bis 100. Null heißt das Leben ist erbärmlich, 100 heißt das Leben ist perfekt und glücklich. Wo würdest du dich einreihen?
R: Du meinst Orgasmus oder Selbstmord? Ich bin näher am Orgasmus als am Selbstmord. 89? Nein, ich bin sogar höher - auf 98, vielleicht sogar 99. Vielleicht liegt es ja in meinen Genen, dass ich eine depressive Persönlichkeit bin. Aber wenn du durch bist und du den Kopf wieder über Wasser hast, dann schätzt du es viel mehr als jemand, der nie an einem dunkle Momente erlebt hat. Ich bin den 90ern, Mam.




Robbie Williams in „Frühstück bei mir“